EQUALPEDIA
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Equalpedia sammelt Daten zum Aufbau eines freien Lexikons zur Überwindung der digitalen Wissenslücke über Frauen*, marginalisierte Gruppen und Menschen, die sich für diese eingesetzt haben.

Equalpedia verfolgt damit den politischen Anspruch, diese und ihre Leistungen sichtbarer zu machen, nicht aber den der Vollständigkeit.

Wir, die Gründerinnen von Equalpedia, Sonja Hintermeier und Karin Kraus, arbeiten mit unserem Team seit 2018 am Thema der mangelnden Repräsentanz von Frauen* im Netz. Wir möchten mit dem Aufbau von Equalpedia, einem freien, gendergerechten digitalen Lexikon, einen Beitrag dazu leisten, die digitale Wissenslücke über die Leistungen von Frauen*, anderen marginalisierten Gruppen1 und Menschen, die sich für sie eingesetzt haben, zu schließen.

1 Unser Verständnis von marginalisierten Gruppen bzw. Marginalisierung deckt sich mit der Definition, die z. B. das Diversity Arts Culture-Projekt aus Berlin festgelegt hat:

„Marginalisierung bezeichnet die Verdrängung von Individuen oder Bevölkerungsgruppen an den Rand der Gesellschaft. Die Verdrängung kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, also zum Beispiel geografisch, wirtschaftlich, sozial oder kulturell sein; meist spielt sie sich auf mehreren Ebenen gleichzeitig ab.

Marginalisierung findet in einem Machtgefüge statt und geht mit Diskriminierung einher: Je weiter am gesellschaftlichen Rand sich eine Gruppe befindet, desto weniger Macht hat sie und desto stärker ist sie gegenüber der gesellschaftlichen Mitte benachteiligt. Marginalisierung beinhaltet den Verlust von Ressourcen, Einflussmöglichkeiten sowie Status und kann sich auf die psychische und physische Gesundheit auswirken. Wenn es sich bei der marginalisierten Gruppe um eine Minderheit handelt, lässt sich im Fall der psychischen und physischen Folgen auch von Minderheitenstress sprechen. Aber Marginalisierung betrifft nicht nur Minderheiten. So wird in einer patriarchalen Gesellschaft Weiblichkeit marginalisiert, obwohl Frauen keine Minderheit sind.“ (Quelle: https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/marginalisierung)

Wir fokussieren uns bei Equalpedia auf Menschen aus den verschiedensten Bereichen, die z. B. aufgrund der sogenannten „Big 8“ marginalisiert werden: „race, gender, ethnicity/nationality, organizational role/function, age, sexual orientation, mental/physical ability, religion.“ (Quelle: Krell, Gertraude/Riedmüller, Barbara/Sieben, Barbara/Viez, Dagmar (2007): Einleitung – Diversity Studies als integrierende Forschungsrichtung. In: Dies. (Hg.): Diversity Studies. Grundlagen und disziplinäre Ansätze. Frankfurt/M./New York: Campus Verlag, S. 7–16, hier S. 8.

2018 begannen wir, uns mit dem Digital Gender Knowledge Gap zu befassen. Insbesondere der niedrige Frauen*anteil und ihre stereotype Darstellung im weltweit größten digitalen Lexikon Wikipedia waren im Hinblick auf eine digitale Gleichberechtigung ernüchternd. Diesen Missstand nahmen wir zum Anlass, in die Wikipedia-Arbeit einzusteigen. Wir begannen unsere Aufgabe mit der Absicht, die Präsenz von Autorinnen (in Wikipedia aktuell 9 %) und Artikeln über Frauen*biografien (in Wikipedia aktuell 15 %) zu erhöhen. Dafür warben wir öffentliche Mittel ein, bauten ein Redaktionsteam auf und schrieben Artikel.

Wir bezahlten mit den eingeworbenen Mitteln die redaktionelle Arbeit unseres Teams und stießen deswegen auf starken Widerstand der Wikipedia-Community. Die Community stemmte sich gegen unsere Arbeit, weil wir sie bezahlt und in einer für die Wikipedia-Kultur ungewohnten Arbeitsform leisteten: Wir sind ein Team, arbeiten nicht anonym und treten für die Sache der Frauen* ein. Das widerspricht den Traditionen von Wikipedia, die Neutralität ohne Bezahlung propagiert und deren Autor:innen in der Regel anonym bleiben.

Unsere weitere Wikipedia-Geschichte ist schnell erzählt: Wir kämpften für unsere Arbeitsweise des honorierten Schreibens über Frauen* in Wikipedia, konnten uns damit aber nicht durchsetzen. Im Gegenteil, wir wurden mehrfach (trotz regelkonformem bezahltem Schreiben) von der Wikipedia-Community ausgeschlossen und argumentierten bis zum Schiedsgericht (der höchsten Wikipedia-Instanz) für eine Weiterarbeit. Leider ohne den gewünschten Erfolg. Eine kleine, mächtige Gruppe von versierten Wikipedianer:innen (ca. zehn bis zwölf Stimmen) schloss unser gesamtes Team, das noch nicht im Wikipedia-System verankert war, für immer aus.

Unsere Auseinandersetzung mit der Wikipedia-Community ist ein Beispiel dafür, warum es für Frauen* so schwer ist, sich in diesem System durchzusetzen. Die Machtverhältnisse und die schwer durchschaubaren Entscheidungswege, die sogenannten Edit Wars und der unsachliche Ton sind u. E. wichtige Gründe dafür, warum es seit mehr als zehn Jahren kaum gelingt, den Frauen*anteil in Wikipedia (sowohl auf Autorinnen- als auch auf Artikelseite) deutlich zu erhöhen.

Die Wissenslücke über Frauen* in Wikipedia ist nur ein Teil der großen Wissenslücke über Frauen* in der digitalen Welt. Wir sehen auch, dass diese Lücke – der Digital Gender Knowledge Gap – aktuell immer größer wird. Es verfestigen sich damit stereotype Frauen*bilder, Frauen* kommen weiterhin nicht oder zu wenig vor, werden nicht gefunden – und was im Netz nicht gefunden werden kann, existiert nicht. Für eine bessere Repräsentanz von Frauen* im Digitalen braucht es den energischen Einsatz für geschlechtersensible Algorithmen und ein intensives Engagement von intellektuellen und wirtschaftlichen Kräften von und für Frauen*.

Im Bereich der freien lexikalischen Arbeit sind Förderprogramme und Projekte ebenso notwendig wie in anderen Feldern, um zu mehr Geschlechtergerechtigkeit zu gelangen. So wie es in vielfältiger Weise z. B. in den MINT-Berufen geschieht. Hier soll das Thema des geringen Frauen*anteils im naturwissenschaftlich-technischen Feld bearbeitet werden.

Aus den Erkenntnissen der letzten zwei Jahre haben wir die Konsequenzen gezogen. Mit unserem Team gehen wir neue Wege und haben eine eigene Plattform für ein gendergerechtes, freies Lexikon gegründet.

Dafür haben wir den Namen Equalpedia gefunden.

Seit Beginn unserer Arbeit erleben wir, dass sich unser Leistungsbegriff und unsere Bewertung von Frauen*, von ihren Errungenschaften und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung sehr deutlich von der Wikipedia-Sicht unterscheiden.

Damit sind wir nicht zufrieden und haben uns deshalb daran gemacht, für Equalpedia – unsere neue Plattform – angemessene Relevanzkriterien für Frauen* zu entwickeln.2

2 Angemessene Relevanzkriterien sind kein neues Thema: Schon 1941/1942 wurde die Historikerin, Autorin und Frauenrechtlerin Mary Ritter Beard von Chefredakteur Walter Yust damit beauftragt, die Encyclopedia Britannica aus Frauensicht zu analysieren. Beard und drei Wissenschaftlerinnen untersuchten die Darstellung von Frauen in der Enzyklopädie und verfassten einen 42-seitigen Abschlussbericht, in dem sie auf die aus Frauensicht ungenügenden und fehlenden Artikel sowie den durchweg männlichen Blick hinwiesen. In einer ganzen Reihe von Artikeln zu verschiedenen Themen kamen in der Enzyklopädie keine Frauen vor, sodass man den Eindruck bekommen konnte, dass es in diesen Bereichen keine Frauen gegeben hat (z. B. im Eintrag über „The Western Frontier“) (siehe Lane, Ann J. (1988): Mary Ritter Beard. A sourcebook. Boston: Northeastern University Press, S. 216 ff.).

Artikel zur neuen Frauenbewegung in Frankfurt am Main

Im ersten Arbeitsschritt haben wir die Ergebnisse der neuen Frauenbewegung in Frankfurt am Main – einen Teil ihrer Protagonistinnen und einen großen Teil ihrer Projekte – lexikalisch aufgearbeitet, Quellenstudien betrieben, Fotomaterial gesucht und Artikel geschrieben. Trotz schwieriger Quellenlage dokumentieren die Artikel sehr gut, welche Leistungen die Frauen* erbracht und welche Veränderungen sich aus ihrer Bewegung ergeben haben.

Nun möchten wir unsere Arbeit bei Equalpedia mit neuen Projekten zu Biografien und Leistungen von Frauen* aus anderen Bereichen und Regionen ergänzen.

Anregungen dafür nehmen wir gern entgegen. Schreiben Sie uns einfach eine Nachricht.

Wir sind uns im Klaren darüber, dass wir unserem Anspruch, ein Lexikon für marginalisiertes Wissen von und über Frauen* aufzubauen, noch nicht gerecht werden, da z. B. das Wissen von und über Women* of Colour bisher nicht oder zu wenig repräsentiert wird. Damit unser Projekt die strukturell bedingte Dynamik, in der „weißes Wissen“ nach wie vor der Standard ist, nicht fortsetzt, arbeiten wir daran, das Projekt inklusiver zu gestalten, damit auch andere marginalisierte Stimmen darin die Rolle einnehmen können, die sie verdienen.

Für Anregungen und Vorschläge, wie wir dieses Ziel erreichen können, sind wir offen und dankbar.

Das Team von Equalpedia

Aktuell besteht unser Team bei Equalpedia aus zehn Frauen und einem Mann. Unsere Teammitglieder bringen verschiedene Qualifikationen mit. Es sind Kunsthistoriker:innen, Germanist:innen, Literaturwissenschaftler:innen, Politolog:innen, Physiker:innen, Biolog:innen Sozialwissenschaftler:innen, Psycholog:innen und IT-Fachfrauen*. Sie recherchieren, schreiben und lektorieren die Artikel. Für unsere Zusammenarbeit im Team von Equalpedia und mit unseren externen Kolleg:innen haben wir eigene Kommunikationsstandards entwickelt; außerdem arbeiten wir nicht anonym.

Wir alle gemeinsam engagieren uns für die Sache der Frauen* und für Gendergerechtigkeit im Netz.

Unser Team »

Zur Zeit bauen wir ein Netzwerk von Frauen*institutionen auf, um Expert:innen aus den Bereichen Kultur, Computerwissenschaften und KI, Natur- und Ingenieurwissenschaften, Musik, Sport u. v. m. als Autor:innen für Equalpedia zu gewinnen.

Eingebettet in einen Kreis engagierter Frauen* und Männer*, die Equalpedia strategisch beratend zur Seite stehen, arbeiten wir an der Vernetzung mit Institutionen, die sich mit uns gemeinsam für eine frauen*- und gendergerechte Politik und mehr Sichtbarkeit im digitalen Umfeld einsetzen wollen.

Anmeldeformular für neue Autor:innen »

Vernetzung »

Wir haben unsere enzyklopädische Arbeit damit begonnen, alle Artikel, die wir bisher in Wikipedia geschrieben hatten, für Equalpedia zu überarbeiten. Hier ergänzten wir zunächst Inhalte und Quellen, die in Wikipedia als irrelevant eingestuft worden waren, die aus der Sicht von Equalpedia aber durchaus relevant sind. Deshalb haben wir mit unserem Expert:innennetzwerk zeitgemäße Relevanzkriterien für die enzyklopädische Arbeit entwickelt. Die Relevanzkriterien bei Equalpedia z. B. für Frauen*biografien sind so gestaltet, dass deren Lebensumstände mitgedacht werden, ohne zum Ausschlusskriterium zu werden.

Uns ist klar, dass sich Wissen wandelt – genauso wie die Einschätzung darüber, was wissenswert ist. Deshalb überpüfen wir unsere Relevanzkriterien zusammen mit unseren Autor:innen und entwickelt die Kriterien weiter.

Mit unserer Wikipedia-Arbeit haben wir in den letzten zwei Jahren gesehen, welche Auswirkungen nichtgendergerechte Algorithmen haben. Was der Algorithmus nicht erfasst, kann nicht gefunden werden – und nicht gefunden werden Frauen* und ihre Leistungen.

Aus diesem Grund arbeiten wir daran, auch die Algorithmen gendergerechter zu gestalten.

Wir vernetzen unsere Inhalte weitläufig miteinander, damit ein zuverlässiges Netz von Frauen*wissen und -organisationen entstehen und gesehen werden kann.