Über uns

Equalpedia Gründerinnen: Sonja Hintermeier und Karin Kraus
Die Gründerinnen Sonja Hintermeier† und Karin Kraus im Magazin der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main. © Katharina Dubno

Wir, die Gründerinnen von Equalpedia, Sonja Hintermeier und Karin Kraus, arbeiten mit unserem Team seit 2018 am Thema der mangelnden Repräsentanz von Frauen und LGBTQIA+ Personen im Netz. Wir möchten mit dem Aufbau von Equalpedia, einem freien, gendergerechten digitalen Lexikon, einen Beitrag dazu leisten, die digitale Wissenslücke über die Leistungen von Frauen und LGBTQIA+ Personen, anderen marginalisierten Gruppen1Unser Verständnis von marginalisierten Gruppen bzw. Marginalisierung deckt sich mit der Definition, die z. B. das Diversity Arts Culture-Projekt aus Berlin festgelegt hat:

„Marginalisierung bezeichnet die Verdrängung von Individuen oder Bevölkerungsgruppen an den Rand der Gesellschaft. Die Verdrängung kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, also zum Beispiel geografisch, wirtschaftlich, sozial oder kulturell sein; meist spielt sie sich auf mehreren Ebenen gleichzeitig ab.

Marginalisierung findet in einem Machtgefüge statt und geht mit Diskriminierung einher: Je weiter am gesellschaftlichen Rand sich eine Gruppe befindet, desto weniger Macht hat sie und desto stärker ist sie gegenüber der gesellschaftlichen Mitte benachteiligt. Marginalisierung beinhaltet den Verlust von Ressourcen, Einflussmöglichkeiten sowie Status und kann sich auf die psychische und physische Gesundheit auswirken. Wenn es sich bei der marginalisierten Gruppe um eine Minderheit handelt, lässt sich im Fall der psychischen und physischen Folgen auch von Minderheitenstress sprechen. Aber Marginalisierung betrifft nicht nur Minderheiten. So wird in einer patriarchalen Gesellschaft Weiblichkeit marginalisiert, obwohl Frauen keine Minderheit sind.“ (Quelle: https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/marginalisierung)

Wir fokussieren uns bei Equalpedia auf Menschen aus den verschiedensten Bereichen, die z. B. aufgrund der sogenannten „Big 8“ marginalisiert werden: „race, gender, ethnicity/nationality, organizational role/function, age, sexual orientation, mental/physical ability, religion.“ (Quelle: Krell, Gertraude/Riedmüller, Barbara/Sieben, Barbara/Viez, Dagmar (2007): Einleitung – Diversity Studies als integrierende Forschungsrichtung. In: Dies. (Hg.): Diversity Studies. Grundlagen und disziplinäre Ansätze. Frankfurt/M./New York: Campus Verlag, S. 7–16, hier S. 8.
und Menschen, die sich für sie eingesetzt haben, zu schließen.

Unsere Geschichte

2018 begannen wir, uns mit dem Digital Gender Knowledge Gap zu befassen. Insbesondere der niedrige Frauenanteil und ihre stereotype Darstellung im weltweit größten digitalen Lexikon Wikipedia waren im Hinblick auf eine digitale Gleichberechtigung ernüchternd. Diesen Missstand nahmen wir zum Anlass, in die Wikipedia-Arbeit einzusteigen. Wir begannen unsere Aufgabe mit der Absicht, die Präsenz von Autorinnen (in Wikipedia aktuell 9 %) und Artikeln über Frauenbiografien (in Wikipedia aktuell 15 %) zu erhöhen. Dafür warben wir öffentliche Mittel ein, bauten ein Redaktionsteam auf und schrieben Artikel.

Wir bezahlten mit den eingeworbenen Mitteln die redaktionelle Arbeit unseres Teams und stießen deswegen auf starken Widerstand der Wikipedia-Community. Die Community stemmte sich gegen unsere Arbeit, weil wir sie bezahlt und in einer für die Wikipedia-Kultur ungewohnten Arbeitsform leisteten: Wir sind ein Team, arbeiten nicht anonym und treten für die Sache der Frauen und LGBTQIA+ Personen ein. Das widerspricht den Traditionen von Wikipedia, die Neutralität ohne Bezahlung propagiert und deren Autor*innen in der Regel anonym bleiben.

Unsere weitere Wikipedia-Geschichte ist schnell erzählt: Wir kämpften für unsere Arbeitsweise des honorierten Schreibens über Frauen und andere marginalisierte Gruppen in Wikipedia, konnten uns damit aber nicht durchsetzen. Im Gegenteil, wir wurden mehrfach (trotz regelkonformem bezahltem Schreiben) von der Wikipedia-Community ausgeschlossen und argumentierten bis zum Schiedsgericht (der höchsten Wikipedia-Instanz) für eine Weiterarbeit. Leider ohne den gewünschten Erfolg. Eine kleine, mächtige Gruppe von versierten Wikipedianer*innen (ca. zehn bis zwölf Stimmen) schloss unser gesamtes Team, das noch nicht im Wikipedia-System verankert war, für immer aus.

Unsere Auseinandersetzung mit der Wikipedia-Community ist ein Beispiel dafür, warum es für Frauen und LGBTQIA+ Personen so schwer ist, sich in diesem System durchzusetzen. Die Machtverhältnisse und die schwer durchschaubaren Entscheidungswege, die sogenannten Edit Wars und der unsachliche Ton sind u. E. wichtige Gründe dafür, warum es seit mehr als zehn Jahren kaum gelingt, den Frauenanteil in Wikipedia (sowohl auf Autorinnen- als auch auf Artikelseite) deutlich zu erhöhen.

Die Wissenslücke über Frauen und LGBTQIA+ Personen in Wikipedia ist nur ein Teil der großen Wissenslücke über Frauen und LGBTQIA+ Personen in der digitalen Welt. Wir sehen auch, dass diese Lücke – der Digital Gender Knowledge Gap – aktuell immer größer wird. Es verfestigen sich damit stereotype Frauen*bilder, Frauen und LGBTQIA+ Personen kommen weiterhin nicht oder zu wenig vor, werden nicht gefunden – und was im Netz nicht gefunden werden kann, existiert nicht. Für eine bessere Repräsentanz von Frauen und LGBTQIA+ Personen im Digitalen braucht es den energischen Einsatz für geschlechtersensible Algorithmen und ein intensives Engagement von intellektuellen und wirtschaftlichen Kräften von und für Frauen und LGBTQIA+ Personen .

Im Bereich der freien lexikalischen Arbeit sind Förderprogramme und Projekte ebenso notwendig wie in anderen Feldern, um zu mehr Geschlechtergerechtigkeit zu gelangen. So wie es in vielfältiger Weise z. B. in den MINT-Berufen geschieht. Hier soll das Thema des geringen Frauenanteils im naturwissenschaftlich-technischen Feld bearbeitet werden.

Aus den Erkenntnissen der letzten zwei Jahre haben wir die Konsequenzen gezogen. Mit unserem Team gehen wir neue Wege und haben eine eigene Plattform für ein gendergerechtes, freies Lexikon gegründet.

Dafür haben wir den Namen EQUALPEDIA gefunden.

Die Gründung von Equalpedia

Seit Beginn unserer Arbeit erleben wir, dass sich unser Leistungsbegriff und unsere Bewertung von Frauen und LGBTQIA+ Personen, von ihren Errungenschaften und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung sehr deutlich von der Wikipedia-Sicht unterscheiden.

Damit sind wir nicht zufrieden und haben uns deshalb daran gemacht, für Equalpedia – unsere neue Plattform – angemessene Relevanzkriterien für Frauen und LGBTQIA+ Personen zu entwickeln.2Angemessene Relevanzkriterien sind kein neues Thema: Schon 1941/1942 wurde die Historikerin, Autorin und Frauenrechtlerin Mary Ritter Beard von Chefredakteur Walter Yust damit beauftragt, die Encyclopedia Britannica aus Frauensicht zu analysieren. Beard und drei Wissenschaftlerinnen untersuchten die Darstellung von Frauen in der Enzyklopädie und verfassten einen 42-seitigen Abschlussbericht, in dem sie auf die aus Frauensicht ungenügenden und fehlenden Artikel sowie den durchweg männlichen Blick hinwiesen. In einer ganzen Reihe von Artikeln zu verschiedenen Themen kamen in der Enzyklopädie keine Frauen vor, sodass man den Eindruck bekommen konnte, dass es in diesen Bereichen keine Frauen gegeben hat (z. B. im Eintrag über „The Western Frontier“) (siehe Lane, Ann J. (1988): Mary Ritter Beard. A sourcebook. Boston: Northeastern University Press, S. 216 ff.).

Das erste Projekt von Equalpedia – Artikel zur neuen Frauenbewegung in Frankfurt am Main

Im ersten Arbeitsschritt haben wir die Ergebnisse der neuen Frauenbewegung in Frankfurt am Main – einen Teil ihrer Protagonistinnen und einen großen Teil ihrer Projekte – lexikalisch aufgearbeitet, Quellenstudien betrieben, Fotomaterial gesucht und Artikel geschrieben. Trotz schwieriger Quellenlage dokumentieren die Artikel sehr gut, welche Leistungen die Frauen erbracht und welche Veränderungen sich aus ihrer Bewegung ergeben haben.

Nun möchten wir unsere Arbeit bei Equalpedia mit neuen Projekten zu Biografien und Leistungen von Frauen und LGBTQIA+ Personen aus anderen Bereichen und Regionen ergänzen.

Anregungen dafür nehmen wir gern entgegen. Schreiben Sie uns einfach eine Nachricht.

Wer wir sind und wie wir arbeiten

Equalpedia hat es sich als Ziel gesetzt, geschlechtergerechte und geschlechtersensible Sprache anzuwenden. Daher haben wir uns entschieden, das Gendersternchen (*) zu verwenden, um alle Menschen – gleich welcher Geschlechtsidentität – einzuschließen. Außerdem verwenden wir die Formulierung Frauen und LGBTQIA+ Personen (lesbian, gay, bisexual, transgender, queer, intersex, asexual), um alle aufgrund ihrer Geschlechtsidentität marginalisierten Gruppen einzubeziehen.

Wir versuchen, so sprachsensibel wie möglich zu formulieren. Trotzdem ist uns bewusst, dass eine Unterscheidung der Geschlechterrollen Mann und Frau in entsprechenden Kontexten eine Notwendigkeit darstellt – nicht nur, um Macht- und Herrschaftsverhältnisse zwischen den Geschlechtern deutlich zu machen, sondern auch, um historische Begebenheiten möglichst akkurat abzubilden.

Wir sind uns im Klaren darüber, dass wir unserem Anspruch, ein Lexikon für marginalisiertes Wissen von und über Frauen und LGBTQIA+ Personen aufzubauen, noch nicht gerecht werden, da z. B. das Wissen von und über Frauen und LGBTQIA+ Personen of Colour bisher nicht oder zu wenig repräsentiert wird. Damit unser Projekt die strukturell bedingte Dynamik, in der „weißes Wissen“ nach wie vor der Standard ist, nicht fortsetzt, arbeiten wir daran, das Projekt inklusiver zu gestalten, damit auch andere marginalisierte Stimmen darin die Rolle einnehmen können, die sie verdienen.

Für Anregungen und Vorschläge, wie wir dieses Ziel erreichen können, sind wir offen und dankbar.

Das Team von Equalpedia

Aktuell arbeiten wir zu viert aktiv an Equalpedia. Im weiteren Umfeld sind Kunsthistoriker*innen, Germanist*innen, Literaturwissenschaftler*innen, Politolog*innen, Physiker*innen, Biolog*innen, Sozialwissenschaftler*innen, Psycholog*innen und IT-Fachfrauen. Sie recherchieren, schreiben und lektorieren die Artikel. Für unsere Zusammenarbeit im Team von Equalpedia und mit unseren externen Kolleg*innen haben wir eigene Kommunikationsstandards entwickelt; außerdem arbeiten wir nicht anonym.

Wir alle gemeinsam engagieren uns für die Sache der Frauen und LGBTQIA+ Personen und für Gendergerechtigkeit im Netz.

Unser Team »

Neue Autor*innen und Vernetzungen

Zurzeit bauen wir ein Netzwerk von feministischen Organisationen auf, um Expert*innen aus den Bereichen Kultur, Computerwissenschaften und KI, Natur- und Ingenieurwissenschaften, Musik, Sport u. v. m. als Autor*innen für Equalpedia zu gewinnen.

Eingebettet in einen Kreis engagierter Frauen und Männer, die Equalpedia strategisch beratend zur Seite stehen, arbeiten wir an der Vernetzung mit Institutionen, die sich mit uns gemeinsam für eine frauen- und gendergerechte Politik und mehr Sichtbarkeit im digitalen Umfeld einsetzen wollen.

Anmeldeformular für neue Autor*innen »

Relevanzkriterien bei Equalpedia

Wir haben unsere enzyklopädische Arbeit damit begonnen, alle Artikel, die wir bisher in Wikipedia geschrieben hatten, für Equalpedia zu überarbeiten. Hier ergänzten wir zunächst Inhalte und Quellen, die in Wikipedia als irrelevant eingestuft worden waren, die aus der Sicht von Equalpedia aber durchaus relevant sind. Deshalb haben wir mit unserem Expert*innennetzwerk zeitgemäße Relevanzkriterien für die enzyklopädische Arbeit entwickelt. Die Relevanzkriterien bei Equalpedia z. B. für Frauenbiografien sind so gestaltet, dass deren Lebensumstände mitgedacht werden, ohne zum Ausschlusskriterium zu werden.

Uns ist klar, dass sich Wissen wandelt – genauso wie die Einschätzung darüber, was wissenswert ist. Deshalb überprüfen wir unsere Relevanzkriterien zusammen mit unseren Autor*innen und entwickeln die Kriterien weiter.

Equalpedia und Algorithmen

Mit unserer Wikipedia-Arbeit haben wir in den letzten zwei Jahren gesehen, welche Auswirkungen nichtgendergerechte Algorithmen haben. Was der Algorithmus nicht erfasst, kann nicht gefunden werden – und nicht gefunden werden Frauen und LGBTQIA+ Personen und ihre Leistungen.

Aus diesem Grund arbeiten wir daran, auch die Algorithmen gendergerechter zu gestalten.

Wir vernetzen unsere Inhalte weitläufig miteinander, damit ein zuverlässiges Netz von Wissen über Frauen und LGBTQIA+ Personen und Organisationen entstehen und gesehen werden kann.

Vernetzung »

  • 1
    Unser Verständnis von marginalisierten Gruppen bzw. Marginalisierung deckt sich mit der Definition, die z. B. das Diversity Arts Culture-Projekt aus Berlin festgelegt hat:

    „Marginalisierung bezeichnet die Verdrängung von Individuen oder Bevölkerungsgruppen an den Rand der Gesellschaft. Die Verdrängung kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, also zum Beispiel geografisch, wirtschaftlich, sozial oder kulturell sein; meist spielt sie sich auf mehreren Ebenen gleichzeitig ab.

    Marginalisierung findet in einem Machtgefüge statt und geht mit Diskriminierung einher: Je weiter am gesellschaftlichen Rand sich eine Gruppe befindet, desto weniger Macht hat sie und desto stärker ist sie gegenüber der gesellschaftlichen Mitte benachteiligt. Marginalisierung beinhaltet den Verlust von Ressourcen, Einflussmöglichkeiten sowie Status und kann sich auf die psychische und physische Gesundheit auswirken. Wenn es sich bei der marginalisierten Gruppe um eine Minderheit handelt, lässt sich im Fall der psychischen und physischen Folgen auch von Minderheitenstress sprechen. Aber Marginalisierung betrifft nicht nur Minderheiten. So wird in einer patriarchalen Gesellschaft Weiblichkeit marginalisiert, obwohl Frauen keine Minderheit sind.“ (Quelle: https://diversity-arts-culture.berlin/woerterbuch/marginalisierung)

    Wir fokussieren uns bei Equalpedia auf Menschen aus den verschiedensten Bereichen, die z. B. aufgrund der sogenannten „Big 8“ marginalisiert werden: „race, gender, ethnicity/nationality, organizational role/function, age, sexual orientation, mental/physical ability, religion.“ (Quelle: Krell, Gertraude/Riedmüller, Barbara/Sieben, Barbara/Viez, Dagmar (2007): Einleitung – Diversity Studies als integrierende Forschungsrichtung. In: Dies. (Hg.): Diversity Studies. Grundlagen und disziplinäre Ansätze. Frankfurt/M./New York: Campus Verlag, S. 7–16, hier S. 8.
  • 2
    Angemessene Relevanzkriterien sind kein neues Thema: Schon 1941/1942 wurde die Historikerin, Autorin und Frauenrechtlerin Mary Ritter Beard von Chefredakteur Walter Yust damit beauftragt, die Encyclopedia Britannica aus Frauensicht zu analysieren. Beard und drei Wissenschaftlerinnen untersuchten die Darstellung von Frauen in der Enzyklopädie und verfassten einen 42-seitigen Abschlussbericht, in dem sie auf die aus Frauensicht ungenügenden und fehlenden Artikel sowie den durchweg männlichen Blick hinwiesen. In einer ganzen Reihe von Artikeln zu verschiedenen Themen kamen in der Enzyklopädie keine Frauen vor, sodass man den Eindruck bekommen konnte, dass es in diesen Bereichen keine Frauen gegeben hat (z. B. im Eintrag über „The Western Frontier“) (siehe Lane, Ann J. (1988): Mary Ritter Beard. A sourcebook. Boston: Northeastern University Press, S. 216 ff.).